Why read the Vulgate today?!

In einem umfangreichen Projekt über die Vulgata des Hieronymus wird zu einem interdisziplinären Dialog und einer Analyse dieses monumentalen Buches aus dem vierten Jahrhundert eingeladen. „Sprache und Umwelt der Vulgata” erscheint im Jahr 2023 im de Gruyter Verlag. Zusammen mit den Herausgebern Prof. Dr. Michael Fieger und Lic. Phil. Brigitta Schmid MTh kommentieren zahlreiche wissenschaftliche AutorInnen die interdisziplinäre Breite und Tiefe dieser für das Christentum bahnbrechenden Bibel. Es kommen individuelle Meinungen und Beobachtungen zum Text, aber  auch spezifische Themen zur Übersetzung des Hieronymus zur Sprache. Eine eingehende und offene Diskussion über weitere inhaltliche Impulse ist definitiv beabsichtigt.

„Sprache und Welt der Vulgata“

Die zweisprachige, fünfbändige Vulgata Tusculum deutsch ist im Herbst 2018 erschienen und sie wurde von der Leserschaft dankbar aufgenommen. Damit ist die Vulgata des Hieronymus erstmals deutschen Lesern zugänglich gemacht. Sie ist zusammen mit der Gründung des Vulgate Institute im Juni 2019 die Grundlage um mit der Vulgata wissenschaftlich breit abgestützt arbeiten zu können. Dieses Ziel wird mit dem Folgeprojekt „Sprache und Welt der Vulgata“ weiter in den Fokus genommen. Diese Publikation lädt dazu ein, über einen interdisziplinären Dialog mit dem Text der Vulgata besser zu verstehen, wie sich dieser spätantike Übersetzer der griechischen und hebräischen Vorlagen annahm und wie er mit den bereits vorhandenen lateinischen Texten umgegangen ist. Die Sprache und die Welt der Vulgata wird damit einem breiten Publikum kaleidoskopartig näher gebracht. Rund 200 exemplarische Kurzbeiträge werfen wissenschaftlich fundierte Schlaglichter auf ausgewählte Beispiele und Themen der Vulgata.

Mit folgenden Beispielen sei das Kaleidoskop ins Spiel gebracht:

Trägt Moses wirklich Hörner?

Ob Michelangelo und andere Künstler in ihren berühmten Darstellungen von Moses einem Übersetzungsfehler aufgesessen sind, ist nur eine von vielen Fragen, die nun gültig beantwortet werden. Verschiedene sprachwissenschaftliche und eine kunsthistorische Antwort werden im Buch zur Diskussion gestellt.

Die jungfräulichen jungen Frauen bei Hieronymus

Die Jungfrau Maria ist bis heute ein Synonym für die Mutter Gottes schlechthin. Inwieweit sie bei der  Übersetzung des Hieronymus von Jes 7,14 im Fokus stand, kann weder über die Übersetzung noch über die Kommentare des Hieronymus abschliessend beantwortet werden. Bereichernd ist in jedem Fall der Einbezug des kulturellen Kontexts der Spätantike. Es ist anzunehmen, dass christliche Gelehrte der Spätantike auch unter dem Einfluss von Praktiken und Verständnisformen ihres heidnischen religiösen Umfelds, von einem Phänomen der Inkulturation eine Vielzahl von Jungfrauen ausgegangen sind.

Wie eucharistisch ist das tägliche Brot (supersubstantialis)?

Hieronymus gibt der Brotbitte aus dem „Vater unser“ mit seiner Wortwahl ein ganz eigenes Gepräge. Sind wir uns der Tiefe dieser Aussage bewusst? An diesem Beispiel wird klar, wie schwierig es heute ist, in einer säkularen Welt religiöse Inhalte verständlich zu formulieren.

Jesus im Alten Testament?

Im Alten Testament tragen mehrere Personen den Namen Jesus. Überall, wo in der Übersetzung des Hieronymus vom „Retter“ (salvator) die Rede ist, steht im hebräischen Text „Jesus“. Stimmt das? Hieronymus hat damit Recht und Unrecht zugleich. Tatsächlich heisst das hebräische Wort für „Heil, Rettung“ (yeshu`ah) mit demselben Buchstabenbestand wie der Name Jesus (Jeschua).

Vertieft werden diese und viele weitere Fragen zur Bibelübersetzung im Buch „Sprache und Welt der Vulgata“. Fachlich ausgewiesene Verfasserinnen und Verfasser tauchen in die biblische Geschichtenvielfalt des Hieronymus ein und nehmen die Texte des Schutzpatrons der Übersetzer ganz genau unter die Lupe. Sie beleuchten kurz und bündig linguistische und historische Grundfragestellungen zur lateinischen Vulgata sacra, zum Leben und wissenschaftlichen Umfeld des Hieronymus und zur langen Rezeptionsgeschichte seiner Übersetzung. Es werden neue, ganzheitliche Sichtweisen zur Diskussion gestellt, indem in analytischen Beiträgen die Originalität des Hieronymus unterstrichen wird. Zur Bereicherung der Exegese wird auch ein vertieftes Verständnis der hebräischen wie griechischen Vorlagen geschaffen. Damit präsentiert sich das Buch „Sprache und Welt der Vulgata“ als fundierte Grundlage für die weiterführende intertextuelle und interkulturelle Diskussion wie auch für den vertieften ökumenischen Dialog. Für derartige Impulse ist die Herausgeberschaft dieses Buches jederzeit offen und bereit sie zu diskutieren.